Wichtigkeit von Integration

Anweisungen von den Kalifen der Ahmadiyya Muslim Jamaat

Hadhrat Khalifat-ul-Massih II. (ra)

Allah sagt im Heiligen Qur‘an:

وَمَنۡ یَّتَّقِ اللہَ یَجْعَلۡ لَّہٗ مَخْرَجًا

وَّ یَرْزُقْہُ  مِنْ حَیۡثُ لَا یَحْتَسِبُ

„Und dem, der Allah fürchtet, wird Er einen Ausweg bereiten, Und wird ihn versorgen, von wannen er es nicht erwartet.“ (Sura At-Talaq 65:3,4); gleichwohl aus weltlicher Sicht Gottesfurcht kein Mittel für die Erlangung des Lebensunterhaltes zu sein scheint.

Hadhrat Khalifatul Masih II. (RA) erwähnte hierzu: Die Verse des Heiligen Qur’an bestehen aus einigen Ebenen. Eine Ebene ist für den einfachen Gläubigen und eine andere für jenen, der sich auf einem hohen spirituellen Rang befindet. Angesichts dieses Unterschiedes verändert sich in beiden Fällen die Bedeutung der Verse.

Wenn wir in وَمَنۡ یَّتَّقِ اللہَ یَجْعَلۡ لَّہٗ مَخْرَجًا, die Bedeutung von یَّتَّقِ اللہَ mit „Allahs Gesetze befolgen“ gleichsetzen, dann gehört für einen gewöhnlichen Gläubigen zu یَّتَّقِ اللہَ auch, dass er sich anstrengt und mit großer Beherztheit bemüht, um die von Gott zur Verfügung gestellten Wege zu beschreiten und seinen Lebensunterhalt zu verdienen.

Es ist daher für die Erfüllung von Gottesfurcht wichtig, dass der Mensch dort, wo er für den rechtmäßigen Erwerb (Rizq-e-Halal) arbeitet, keinen Betrug und keine Schwindeleien begeht, die Rechte anderer nicht verletzt, nicht versucht verbotene Besitztümer zu erlangen und sich immer mehr bemüht als die anderen.  Ferner muss er sich von Faulheit und Achtlosigkeit abkehren.

Wo letztlich das Gebot der Gottesfurcht gilt, dort wird die Bedeutung für einen einfachen Gläubigen fortlaufend die sein, dass sein Erwerb stets ein rechtmäßiger Erwerb (Rizq-e-Halal) ist und in seinen Bemühungen die Furcht und Achtung vor Allah enthalten sind. Wenngleich auch andere Menschen sich bemühen Geld zu verdienen, so ist deren Erwerb doch kein rechtmäßiger Erwerb. Sie bemühen sich Geld zu verdienen, aber es ist ihnen egal, ob dieser Verdienst erlaubt (Halal) oder unerlaubt (Haraam) ist.

Wenn wir also in Bezug auf einen einfachen Gläubigen sagen, dass für rechtmäßigen Erwerb Gottesfurcht notwendig ist, dann wird dies bedeuten, dass er nicht nur das Gesetz der Natur beachten soll, welche harte Arbeit, Strebsamkeit, das Meiden von Müßigkeit voraussetzt, sondern darüber hinaus Geld verdient, was aus rechtmäßigen Mitteln geschieht, in dem keine Unwahrheit, kein Betrug und kein Raub enthalten sind.

Allah verwendet daher in diesem Vers die Worte یَجْعَلۡ لَّہٗ مَخْرَجًا, deren Bedeutung ist, dass der Mensch Geld verdient, welches nicht die Bestrafung Gottes auf sich ziehen wird. Er wird Geld verdienen, dabei das Wohlgefallen Gottes erlangen und auch erfolgreich in weltlichen Angelegenheiten sein.

Der Vers hat aber auch einen anderen Bedeutungsumfang für jene, die sich auf einer sehr hohen spirituellen Stufe befinden. Es wird erzählt, dass ein Älterer gefragt wurde, welchen Anteil man an Zakat zahlen muss. Es stellte sich heraus, dass Allah ein solches Verhältnis zu ihm gehabt haben muss, dass er jeden Cent ausgab, den er erhielt. Eigentlich zeigt Allah Ta’ala mit verschiedenen Menschen verschiedene Arten der Behandlung. Einige Menschen haben einen sehr hohen Rang der Spiritualität erreicht, bleiben aber dennoch arm.  Für manche wird Armut von Allah Ta’ala für verboten erklärt. Einige haben den Befehl weltlichen Regelungen entsprechend Geld anzusparen, damit sie dies bei Bedarf nutzen können. Manchen wird von Allah befohlen, keine einzige Münze bei sich zu behalten, denn Wir werden seine Bedürfnisse decken. […]

So gibt es Menschen für die sich die Bedeutung von وَمَنۡ یَّتَّقِ اللہَvöllig verändert. Sie erlangen, ohne dass sie äußerlich sichtbare Bestrebungen unternehmen, lediglich auf der Grundlage von Gottesfurcht Geld für ihren Lebensunterhalt. Daran haben ihre persönlichen Bemühungen und Strebsamkeiten keinen Anteil. Oder deren Bemühungen sind so gering, dass es ein Fehler ist, sie als Bemühungen zu bezeichnen.

Über Hadhrat Sayyid Abdul Qadir Sahab Jelani wird folgendes erzählt. Als die Menschen ihn kritisierten, dass er vornehm speise und teure Kleider trage, sagte Hadhrat Sayyid Abdul Qadir Jelani, er esse nicht, bis dass er von seinen Herren den Befehl erhält „Abdul Qadir, ich schwöre dir um meinen Willen, iss’ von den Speisen. Und ich kleide mich nicht neu ein, solange Allah mir nicht befiehlt „Abdul Qadir, ich schwöre dir um meinen Willen, lege diese Kleidung an!

Wenn Allah einen Menschen auf einen solchen Rang erhebt, dann verlangt Er von diesem Menschen keine großen Anstrengungen, um ihm Geld für seinen Lebensunterhalt zukommen zu lassen. Vielmehr sorgt Allah selbst für den Lebensunterhalt dieses Menschen. Beispielsweise hat Allah von Abdul Qadir Jilani Sahib nicht verlangt „Abdul Qadir, geh, und mühe dich, dann werde Ich dir vornehme Speisen gewähren.“ Allah selbst hat ihm alle Mittel zur Verfügung gestellt. Für Menschen, die eine solche Stufe der Spiritualität besitzen, wie Adbul Qadir Jilani Sahib, bedeutet dieser Vers, dass ihr Lebensunterhalt zweifelsohne allein durch ihre Gottesfurcht gesichert sein wird. Am Erwerb von Lebensunterhalt werden ihre äußerlichen Bemühungen keinen Anteil haben oder diese Bemühungen werden so unbedeutend sein, dass man in der Welt üblicherweise durch diese kleinen Bemühungen kein Lebensunterhalt erhält.

Aber für die Allgemeinheit ist die Bedeutung von وَمَنۡ یَّتَّقِ اللہَ , dass sie entsprechend dem Gesetz der Natur für den Erwerb des Lebensunterhaltes Anstrengungen und Bemühungen zeigen müssen.  Doch sollen diese Bemühungen mit Aufrichtigkeit unternommen werden. Gottesfurcht bedeutet, dass man in jeder Sache Allah zur Festung nimmt, und die Gebote vollständig befolgt. In diese Geboten sind auch jene enthalten, die mit dem Erwerb von rechtmäßigem Lebensunterhalt nicht in Verbindung stehen. Darin sind Strebsamkeit, Aufrichtigkeit, Güte und Anstrengungen enthalten.

(Al-Fazl, 23. Juli 1944)

Hadhrat Khalifat-ul-Massih III. (ra)

„[…] Da ist die Verrichtung des gemeinschaftlichen Gebetes. Dafür fünf Mal am Tag in die Moschee zu gehen bedarf freilich einer Anstrengung – das lässt sich nicht abstreiten. Auch während des Fastens muss man Anstrengungen auf sich nehmen, genau wie mit Zakat.

Der Mensch (wenn er beispielsweise Landwirt ist) denkt: Ich habe nächtelang den Acker mit dem Pflug bearbeitet, die Böden bewässert und – als die ganze Welt sich nach dem kühlen Schatten sehnte – in der prallen Sonne die Samen gepflegt und Körner gepflanzt. Den ganzen Tag habe ich unter der glühenden Sonne gesessen und jetzt, wo ich das Geld dafür bekommen habe, soll ich es jemand anderem geben?

Satan flüstert ihm ein: Die ganzen Opfer hast du selbst geleistet, warum solltest du deine wertvollen Einkünfte woanders spenden?

Doch dann denkt er sich: Mein Herr hat mich befähigt, mein tägliches Brot auf erlaubte und ehrliche Weise zu verdienen, indem ich arbeite und mich anstrenge. Daher bete ich, dass er mir – von dem durch diese Mühen erhaltenes Geld – nicht nur weltlichen Profit ermöglicht, sondern auch Gewinn für das nächste Leben. وَ بِااللٰہِ التَوْفِیْق

Das ist eine Anstrengung, die der Mensch für die Erlangung der Vorzüge des nächsten Lebens auf sich nehmen muss. Wenn seine Absichten gut sind, denkt er beim Bearbeiten seines Ackers in der Hitze an den folgenden Vers: „Das Feuer der Hölle ist stärker an Hitze“ (9:81). Mit dieser Absicht wird er versuchen vor dieser schlimmeren Hitze sich zu bewahren. Alles andere erhält man ohnehin gleich dazu, so wie man auf Punjabi sagt „jhoonge wich mil jaan gian“. Das eigentlich Wichtige ist, das Wohlgefallen Allahs zu erhalten und nicht mit der Absicht zu arbeiten, dass ich meinen Bauch oder den Bauch meiner Kinder füllen kann, sondern, dass man deswegen diese Mühen auf sich nimmt, um die daraus rechtmäßig erhaltenen Einkünfte zum Großteil auf dem Wege Allahs zu spenden und dadurch im nächsten Leben für sich Paradiese der Ruhe, Zufriedenheit und Gnaden zu sichern.

Das ist die eine Art von Mühe. Die andere Art von Mühe besteht in den jeweiligen Umständen der Zeit. Gemäß Seinem Gesetz prüft Allah den Menschen auch, indem er ihn mit Schwierigkeiten konfrontiert. Einige verstehen den Sinn dahinter, andere nicht. Beispielsweise, wenn ein junges Kind stirbt. Das ist wahrlich ein Schicksalsschlag. Oder wenn ein Landwirt mit großer Mühe Wolle gepflückt hatte und diese durch einen Unfall Feuer fängt und verloren geht und er dadurch finanzielle Verluste wegstecken muss. Es gibt tausend weitere solcher Schicksalsschläge, die manchmal als Feuer kommen, manchmal als Starkregen und manchmal als Epidemien. Manchmal geschieht es, dass auf dem Weg zur Hochzeit das Auto auf dem Weg einen Unfall hat, bei dem der Bräutigam oder die Braut stirbt.

All diese Tragödien sind Heimsuchungen der Zeit. Doch ein Gläubiger hebt keinen Vorwurf gegen seinen Herrn, sondern betet zum Zeitpunkt einer solchen Tragödie: „Aller Preis gehört Allah, dem Herrn der Welten“ und „Wahrlich, Allahs sind wir und zu Ihm kehren wir heim“. Mit „Aller Preis gehört Allah, dem Herrn der Welten“ drückt er aus, dass bei diesem tragischen Ereignis, egal wie viel Pein und Leid es mir bereitet, kein Vorwurf gegen meinen Herrn erhoben wird, sondern ihm gebührt nach wie vor aller Preis. Indem er „Aller Preis gehört Allah, dem Herrn der Welten“ spricht, sagt er: Allah hat meinen Körper, mein Herz, mein Gehirn, meine Augen auf solche Weise geschaffen, dass beim Verlust meines jungen Kindes mein Herz leidet, meine Augen weinen und mein Gehirn betrübt ist. Doch „Wahrlich, Allahs sind wir und zu Ihm kehren wir heim“, d.h. wir alle sind Allahs, auch dieses Kind gehörte Allah und Allah hat es zu sich zurückgerufen. Auch ich gehöre Allah und werde eines Tages zu Ihm gehen und wenn Er mir seine Gnade erweist, werden ich und mein Kind uns im Paradies wiedersehen. Es ist kein großes Opfer, ein paar Tage, Jahre, einen gewissen Zeitraum, auszuharren und für Gott und Sein Wohlgefallen zu beten.

Im Sinne von „Wahrlich, Allahs sind wir und zu Ihm kehren wir heim“ besteht also eine Mühe darin, zum Zeitpunkt von Tragödien und Schicksalsschlägen Geduld zu zeigen und eine weitere Beschwerlichkeit besteht in dem durch die Gegner dieser göttlichen Jamaat zugefügten Leid. Ein Muslim muss auch dieses Leid durchmachen.

Schaut, die Sahabara des Heiligen Prophetensaw waren gering in ihrer Zahl, waren arm, hatten keine Kriegsausbildung oder -rüstung, hatten keine guten Schwerter, keine Pferde; sie hatten gar nichts. Und der Feind dachte, er würde diese armseligen und mittellosen Menschen mit seinen guten Schwertern zerschneiden und zerstückelt zurücklassen, sie völlig ausradieren. Da hat Allah seinen Dienern gesagt: Nehmt um meinetwillen diese Schwierigkeiten auf euch, seid bereit sie zu erdulden und Ich verspreche euch, auch wenn ihr schwach seid, mittellos seid, arm seid, ohne Ausrüstung steht, Ich werde hinter euch stehen. Ihr braucht nicht beunruhigt zu sein, denn den Sieg werdet letztlich Ihr davontragen.“

(Khutbat-e-Nasir, Band 2, Seite 223-224)

Hadhrat Khalifat-ul-Massih IV. (rh)

Hadhrat Khalifatul Masih IV. (rh) sagte bei der Freitagsansprache vom 14. Mai 1993, nach der Rezitation der Sure Al-Baqarah, Verse 169 bis 171:

„…Rechtmäßiger Verdienst (Rizq-e-Halal) hat eine tiefe Verbindung mit der menschlichen Gesellschaft. Ob Letztere nun irgendeiner Religion anhängt oder nicht, wenn sie dem Rizq-e-Halal den Rücken kehrt und das Verlangen nach unrechtmäßigem und unredlichem (haram) Verdienst entwickelt und auch keine Abscheu mehr verspürt beim Gebrauch von unrechtmäßig erworbenem Verdienst, dann wird so eine Gesellschaft gewiss niederträchtig und schändlich. Solch ein wirtschaftliches System leidet und kann nicht gesund und erfolgreich funktionieren.

Man betrachte allein das Wirtschaftssystem im Kommunismus als Beispiel. Die kommunistische Welt beruht schon auf der Ablehnung Gottes. Geht man von Gottes Existenz aus, bricht Marx’ gesamtes Konzept des „dialektischen Materialismus” in sich zusammen und wird nutzlos. Deswegen hat er gleich zu Beginn Gott verleugnet und das wissentlich. Wenn nämlich der Mensch an Gott glaubt, so hat er kein Recht dazu, selbst ein wirtschaftliches System zu stellen, denn dann sollte der Schöpfer auch das größte Vorrecht haben, der Welt ein Wirtschaftssystem zu geben. Wie dem auch sei, das ist jene Gesellschaft und jenes wirtschaftliche System, die auf der Ablehnung Gottes basiert. Und damit geht auch die Vorstellung von rechtmäßigem Verdienst verloren, denn dieser hat ja eine tiefe Verbindung mit Gott. Wo immer man das Konzept eines Gottes aus dem Wirtschaftssystem entfernt, dort wird das Verlangen nach unrechtmäßigem und unredlichem Verdienst unvermeidlich wachsen und letztlich im Gebrauch von unrechtmäßig erworbenem Verdienst enden. Und wo immer Ihnen auch in der religiösen Welt das gleiche unstillbare Verlangen und der gleiche unbändige Durst nach unrechtmäßig erworbenem Verdienst begegnet (manchmal ist das Verlangen danach in der religiösen Welt sogar noch größer als in der nicht-religiösen), dort zeigt sich, dass diese Leute in Wahrheit Lügner sind. Sie glauben gar nicht an den Gott, an den zu glauben sie behaupten.

So hat der Heilige Quran das Thema des rechtmäßigen Verdienstes an die moralische Verfassung des gesamten Volkes verknüpft und dargelegt, dass es vonnöten ist, dass der Mensch unerschütterlich an rechtmäßig erworbenem Verdienst und an einer halal Versorgung festhält, denn ansonsten würde dies unzählige moralische Verirrungen in der Gesellschaft nach sich ziehen.

So heißt es im Heiligen Quran: “O ihr Menschen, ganz gleich, welcher Religion ihr angehört und ganz gleich, welchen Teil der
Erde ihr auch bewohnt! Verdient, was rechtmäßig ist und esst von dem, was erlaubt, lauter
und gut auf der Erde ist”. (Sure 2:169) ”

Dann sagte Hudhur: “Das Thema unter dem Überbegriff ‚Halal’, auf welches ich heute inbesondere eingehen möchte, ist das legitime und rechtmäßige Geschäft und der Handel. Das schließt aus: den Verdienst, der durch Bestechung erworben wird; der durch Schwarzhandel erworben wird; der durch ein Unrecht und dem Verschlingen des Geldes eines anderen erworben wird; der durch Betrug und List im Verkauf erworben wird; und sich durch Unaufrichtigkeit und
Irreführung angeeignet wird. Es gibt also bei der Aneignung von Vermögen sehr viele Mittel, die Gottes Wohlgefallen verwerfen. Wenn man sich solcher Mittel bedient, wird man das Wohlgefallen Gottes verlieren und sich – zusammen mit so einem Vermögen – auch Gottes Enttäuschung anhäufen. In der Definition von rechtmäßigem Vermögen sind all diese Dinge enthalten, dass nämlich nur von solchem Vermögen Gebrauch gemacht werden soll, das nicht durch die Inkaufnahme von Gottes Missfallen erworben wurde. Es soll kein Verdienst sein, der Gottes Lehre zuwider ist.”

(Freitagsansprache vom 14. Mai 1993, Khutbat-e-Tahir, Band 12)